Interview mit Christian Felber
Sie machen sich stark für eine „Gemeinwohl-Ökonomie“ – was sind die wichtigsten Unterschiede zu unserem heutigen, westlichen Wirtschaften?
Der wichtigste Unterschied ist die Zielsetzung: Höchster Zweck aller ökonomischen Aktivitäten sind nicht länger Profit oder Rendite, sondern das demokratisch definierte Gemeinwohl. Volkswirtschaften messen ihren Erfolg mit dem Gemeinwohl-Produkt statt mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP). Die Ungleichheit wird durch „negative Rückkoppelungen“ begrenzt, ebenso die Größe und Macht von Konzernen, und „ökologische Menschenrechte“ halten den Umweltverbrauch
pro Kopf auf einem global nachhaltigen Niveau.
Können Sie drei realistische erste Schritte nennen, die uns auf den Weg zu einer solchen Gemeinwohl-Ökonomie bringen könnten?
Schritt 1: Unternehmen erstellen neben der Finanz- auch eine Gemeinwohl-Bilanz. Je besser das Ergebnis, desto weniger Steuern, Zinsen und Zölle zahlen sie.
Schritt 2: Schulen und Hochschulen integrieren die GWÖ in den Lehrplan, bieten praktische Lehrveranstaltungen an oder machen selbst die Bilanz oder initiieren Forschungsprojekte.
Schritt 3: Regionen entwickeln ihren Gemeinwohl-Index bottom-up. Das sind Aufwärmübungen für das spätere Gemeinwohl-Produkt, welches das BIP ablösen wird.
Denken Sie, dass Glauben, Religion und Spiritualität auf dem Weg zum Gemeinwohl von Bedeutung sein könnten – und wenn ja, wie?
Auf zwei Weisen: Zum einen ist erfahrene Spiritualität für viele Menschen eine entscheidende Motivation für ethisches Verhalten im Alltag bis hin zu politischem
Engagement. Zum anderen haben Religionsgemeinschaften stets auch die Funktion einer Wertequelle. Diese Säule geht an den Universitäten nahtlos in die wissenschaftliche Ethik, als Teil der Philosophie, über. Die gute Nachricht: Sowohl der höchste individuelle Wert – die Menschenwürde – als auch der höchste kollektive Wert – das Gemeinwohl – entspringen unisono aus beiden Quellen. (Interview: cl)
Christian Felber
Christian Felber stammt aus Österreich. Er ist Autor des Bestsellers „Gemeinwohl-Ökonomie“ (GWÖ), politischer Aktivist, Gründer von Attac Österreich, Hochschullehrer und freier Tänzer.
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Gemeinwohl-Ökonomie kurz erklärt
Ein Film von Johanna Mittl, Hanna Rommel und Julia Jäger // Stimme: Nena Wagner // Schnitt: Narmina Mammadova Entstanden im Rahmen eines Seminars der Karlsruher Schule der Nachhaltigkeit (mensch-und-technik.kit.edu/ksn.php) in Zusammenarbeit mit der GWÖ Karlsruhe (https://ecogood-karlsruhe.org).