Dass mein Leben reicher wird. Interview mit Christoph Fuhrbach
Tausende Kilometer Dienstweg – auf dem Fahrrad
Christoph, wie bist du zum Extremradfahren gekommen?
Ach das war eigentlich immer schon mein Traum, unterwegs zu sein, morgens nicht zu wissen, wo ich abends übernachte. So richtig begonnen hat das mit einem Radrennen quer durch Europa, man startet an einem Ende und dann bewegt sich jeder allein mit eigener Muskelkraft und eigener Versorgung fort. Tag und Nacht, ohne Hotelbuchungen. Später habe ich dann angefangen, auch zu Tagungen zu fahren. Das ist ein toller Gegenpol zum vielen Rumsitzen und dabei auch neue Regionen kennenzulernen.
Du arbeitest als Referent Weltkirche – was ist dir in deinem Beruf wichtig?
Spätestens seit ich nach dem Studium um die Erde geradelt bin und gesehen habe, wie ungerecht es auf unserer Welt zugeht, geht es mir um die globale Perspektive. Als ich den Unterschied zwischen dem Reichtum in Dubai und der Armut in Delhi sah. Ein geradezu abstoßender Luxus in Dubai und nur 2 Flugstunden entfernt vegetieren in Indien Menschen auf der Straße, ohne Nahrung, ohne Kleidung, teilweise ohne Gliedmaßen, das hat mich schockiert. In der gleichen Zeit, in der gleichen Sekunde, verrecken Menschen erbärmlich. Diese Bilder sind mir immer Tag und Nacht im Hinterkopf, die kann und will ich nicht mehr loswerden.
Es ging mir nie um gutes Leben für mich oder für meine Familie, meine Nachbarn, Weltweit muss sich vieles verändern, und gerechter werden. Diese Skandale, an die wir uns gewöhnt haben, dürften nicht mehr passieren, es gibt keinen Grund dafür. Es gibt genug Nahrungsmittel, genug Finanzen, wir sehen bei Corona was möglich wäre: Impfstoffe, unvorstellbare Gelder werden auf einmal locker gemacht. Es gibt eigentlich keine Ausreden mehr, die globale Perspektive müsste immer mit bedacht werden.
Christoph, was bedeutet für dich, GENUG zu haben?
Genug ist ein wichtiges Wort – es gibt viele Menschen auf der Welt, viele Millionen, die nicht genug haben, noch nicht mal genug Lebensmittel, auch andere wirklich wichtige Dinge nicht. Es ist das Recht eines jeden Menschen, genug zu haben, es ist auch genug für alle da, und ich finde es einen großen Skandal, dass es viele Menschen gibt, die nicht genug haben.
Ich möchte mir auch nehmen, was ich brauche, aber all das Unnötige und Überflüssige das will ich gar nicht. Und nicht nur, dass ich es gerecht und besser finde, mit weniger zu leben, sondern auch dass es mir gut tut. Zum einen das „genug“ zu schätzen, gute Lebensmittel zu haben, ein gutes Dach über dem Kopf zu haben, all die Dinge die ich brauche.
Worauf verzichtest du?
Ich würde nicht sagen, dass ich auf etwas verzichte. Ich habe kein Auto. Aber ich vermisse es auch nicht. Klar habe ich mal kalte Hände, aber wenn die auftauen, denke ich, es war gut so. Ich versuche unterwegs die Natur wahrzunehmen, Geräusche, Tiere, Pflanzen, das Blühen der Bäume, die verschiedenen Menschen, das alles bereichert mein Leben, so dass ich es überhaupt nicht als Verlust empfinde, ich nutze manche Dinge nicht, und dadurch wird mein Leben reicher
Wie bist du dazu gekommen, so viel Rad zu fahren?
Ich habe einige Jahre Leistungssport gemacht, mein Traum war im Jugendalter, Radrennen zu fahren, doch da hatte meine Mutter Angst, daher wurde ich Läufer. Mit über 30 habe ich dann angefangen Rad zu fahren, Berge, Radmarathons, habe es immer genossen, unterwegs zu sein, morgens nicht zu wissen, wo ich abends übernachte. Dann habe ich gelesen, dass es so ein Radrennen gibt quer durch Europa, man startet an einem Ende von Europa, und dann bewegt sich jeder mit eigener Muskelkraft und eigener Versorgung und ohne was zu buchen durch Europa. Das war genau mein Ding, das läuft Tag und Nacht, ich habe auch angefangen nachts zu fahren. Später dann kam ich dazu, auch zu Tagungen zu fahren, auch als Gegenpol zum vielen Rumsitzen und auch um neue Regionen kennenzulernen. Seit einigen Jahren fahre ich wann immer es geht – zumindest zwischen März und Oktober – zu jedem dienstlichen Termin mit dem Fahrrad - innerhalb Deutschlands. Bei einigen Reisen die ich beruflich gemacht habe bin ich auch mit dem Fahrrad hingefahren. Viermal war ich in Bosnien-Herzegowina mit dem Fahrrad, wo ich beruflich hin durfte. Und auch nach Albanien bin ich mit dem Fahrrad hingefahren. Ich habe mich über vier Tage meinem Ziel angenähert und fand es für mich stimmig, mich so meinem Ziel anzunähern. Das ist rundum eine win-win-Situation, super fürs Klima, klasse für mich, ich konnte viel erleben und hab mich fast immer sehr bereichert gefühlt. Autofahren tu ich tatsächlich so gut wie nie, das letzte Mal ist vermutlich Jahre her, mitgefahren bin ich vielleicht einmal im Jahr.
Wir machen das auch als Familie so, wir wissen, manche Orte werden wir wahrscheinlich nie erreichen, aber es gibt so viele Orte in Europa, die man mit Zug und Rad bereisen können, die werden wir nie alle besuchen können, im ganzen Leben nicht, insofern fühlen wir uns überhaupt nicht eingeschränkt.
Christoph Fuhrbach
Christoph Fuhrbach (Bistum Speyer) ist seit vielen Jahren Mitträger des Ökumenischen Prozesses „Umkehr zum Leben – den Wandel gestalten“ und damit auch Mitherausgeber dieses Kalenders. Bekannt wurde er als Extremradfahrer, Weltmeister und Weltrekordler und hat auf dem Rad sogar schon die Erde umrundet. Er nutzt seinen Sport und seine Bekanntheit, um gezielt gemeinnützige Projekte zu unterstützen. Seit einigen Jahren fährt er auch zu fast jedem dienstlichen Termin mit dem Rad, nicht nur innerhalb Deutschlands. So radelte er schon zu beruflichen Terminen in Bosnien-Herzegowina und Albanien.